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Sonntag, 30. März 2008

Der IKS-Haken

Unter oben genanntem Titel erschien "Catch 22" in der ersten Übersetzung in Deutschland. Nachdem eine Folge der dritten Lost-Staffel eben jenen Namen trug und es mir vorkam, als sei Catch 22 ein feststehender Begriff im angloamerikanischen Sprachraum, wies mir die Wikipedia den Weg zum Sinn und zum Roman. Wie es so häufig geht mit der selektiven Wahrnehmung, fiel mir bei meinem nächsten Abstecher in eine Buchhandlung auf, dass Catch 22 in der SZ-Bibliothek erschien ist. Also keine aufwändige Bestellung, sondern fix zum Spottpreis zugegriffen.

Den Leser erwartet eine interessante und nicht total konventionelle Geschichte über eine amerikanische Fliegerstaffel, die im Zweiten Weltkrieg in Italien stationiert ist. Der Protagonist, Captain Yossarian, kommt zu der Einsicht, dass es vor allem die Army ist, die die größte Gefahr für sein Leben darstellt. Um nach Hause geschickt zu werden, muss er eine erforderliche Zahl an Feindflügen vorweisen können, die von seinem Colonel aber immer rechtzeitig hinaufgesetzt wird, sodass niemand sie erreichen kann. Yossarian erkennt dies und bekommt im Lazarett vom zuständigen Arzt erklärt, was gemeinhin unter Catch 22 verstanden wird: Ein Geisteskranker würde sofort aus dem Dienst entlassen werden, sobald er den entsprechen Antrag stellen würde. Die Antragstellung aber würde zeigen, dass es sich um einen vollkommen gesunden Soldaten handelt, der die ständige Todesgefahr realisiert habe und diese vermeiden wollte. Ein wahrhaft Geisteskranker würde den Antrag nie stellen. Catch 22 ist eine logisch ausweglose Situation, eine Aporie.

Der Roman ist weniger ein Anti-Kriegs-Roman, er kritisiert vielmehr die Institutionalisierung des Krieges durch die militärische Bürokratie und zeigt die Unabhängigkeit des Kapitalismus von moralischen Instanzen. Der Kapitalismus wird durch den Messechef Milo Minderbinder personalisiert, der als Alleinhandelnder des Syndikats M&M ("Jeder hat seinen Anteil daran") zum scheinbaren Wohle aller u.a. das eigene Camp bombadiert und Treibstoff an den deutschen Feind verkauft. Die Berechtigung des Kriegs ist überhaupt kein Thema, er ist wie ein Naturereignis da und wird von der Army verwaltet. Eine Parallele zur Fersehserie M*A*S*H besteht in der Fixierung auf die Offiziersebene, die einfachen Mannschaftsränge kommen nicht vor. Überhaupt erinnerten so viele Stellen an M*A*S*H, dass man davon ausgehen kann, Catch 22 habe als Vorlage gedient. Doch die Verfolgung individueller Interessen, Subversivität in lebensfeindlicher Umgebung, geistige Unversehrtheit, Kapitalismuskritik, Liebe und Lust, moralische Integrität und Versagen sind Themen, die im Roman deutlicher und eindringlicher thematisiert werden können und werden.

Ich bin überrascht, von diesem Buch vorher noch nie gehört zu haben und ich möchte eine klare Leseempfehlung aussprechen.

FAKTENFAKTENFAKTEN
Titel: Catch 22
Autor: Joseph Heller
Erschienen: 1961 (deutsch 1964)
Länge: 542 Seiten
Besonderheiten: Ich hab das Buch ausschließlich in der U-Bahn gelesen